| 
   Bonifazij.   Ausgewählte Gedichte.     Aus dem Russischen
  von Olga Sidor.    | 
 
| 
   1.   25% MEINER GEDICHTE wird man in
  andere Sprachen übersetzen. Über die anderen wird erklärt werden, daß sie
  unübersetzbar sind. Gerade dann beginnt die Menschheit allmälig zum
  Russischen zu übergehen...       KRITERIEN FÜR DIE BEWERTUNG DER
  GEDICHTE 1. Wenn es im Gedicht über 20 Wörter
  gibt, ist es schlecht.     Meine Freunde, Freundinnen und
  Bekannte verstehen meine Gedichte nicht. Genauer gesagt, unterteilen sich
  diese Menschen in die, die meine Gedichte überhaupt nicht verstehen, und die,
  die meine Gedichte sehr schwach, verdreht rezipieren -- durch die Linsen der
  Prüderie, der literarischen Vorurteile, der persönlichen Beziehungen zu mir
  usw. (Übrigens, alle meine Bekannten sind ohne Ausnahme schrecklich prüde.)
  Vor kurzem sagte ich den Unsinn, daß ich für mich und für die Freunde
  schreibe. Für mich -- natürlich, aber nicht für die Freunde, nein! Für mich
  und für den unbekannten Leser.    | 
 
| 
   2.   Kaum
  fange ich mal etwas an Erreiche
  ich Vollkommenheit <Januar 1990.>    | 
 
| 
   3.   Vielleicht in einer andren Sprache Gehört durchaus zum guten Stil Den Bügeleisen – was für Drache! – Mit Lenz zu reimen, mit April. Poetinnen dort träumen leise Von dem des Lenzes Bügeleisen.   (Aus dem Russischen von Julia Landau): Vielleicht in einer andren Sprache  | 
 
| 
   4.   Natürlich
  ist es Ethik.    | 
 
| 
   5.   Also sprach Zarathustra     | 
 
| 
   6.   Ich
  stehe und warte auf Verka. Keine
  Verka. Keine
  Verka. Keine
  Verka. Keine
  Verka. Keine
  Verka. O!
  Verka!    | 
 
| 
   7.   Heute
  gehe ich in die Schule nicht.   (Aus
  dem Russischen von Julia Landau): Heute
  gehe ich nicht in die Schule. Und
  übermorgen gehe ich nicht.      | 
 
| 
   8.   Tag der Poesie  Nein morgens    (von Julia
  Landau): Den Tag der Poesie  Nein, morgens       | 
 
| 
   9.   Es gibt
  doch nicht solche Gedichte!   Es gibt
  doch nicht andere Gedichte?     (Aus
  dem Russischen von Julia Landau): Gibt es
  etwa solche Gedichte?    | 
 
| 
   10.   HEIRATSANZEIGE Ein innovativer Dichter, geb. 1962,
  faul, egoistisch, besessen von manischen Ideen, Bonifazij, sucht
  Lebensgefährtin -- ein in jeder Hinsicht ideales Fräulein, bescheiden,
  selbstlos, ohne kleinste Anzeichen der Hysterie. Die Kandidatinnen werden
  gebeten, ihre Fotos und Liebesbriefe an folgende Adresse zuzuschicken:
  [.......].      | 
 
| 
   11.   Der literarische Abend das literarische Leben    | 
 
| 
   12.   Ich bin kein linker     | 
 
| 
   13.   1. Ich liebe Tee.   1. Ich liebe das Gebratene.   4. Laß mich das Gebratene vereisen.      | 
 
| 
   14.   Wie gut, daß ich nicht dichten kann, und lerne es nie, nie...    | 
 
| 
   15.   Lehrer Rehel  Okkupant Napukko Experte Trepxe       | 
 
| 
   16.   Lerne
  nicht! Lerne nicht!    | 
 
| 
   17.   Ich bin kein Mann, ich bin Poet. *(frei
  nach Zinaida Gippius)    | 
 
| 
   18.   Unterm Tischlein sitzend schaue ich
  auf die Welt    | 
 
| 
   19.   Da springen
  alle meine Verse     | 
 
| 
   20.   Wie    | 
 
| 
   21.     Viele
  lieben Avantgarde nicht.   Viele
  lieben Amerika nicht.           Viele
  lieben U-Bahn nicht. Viele
  lieben Moskau nicht.   Viele
  lieben Porno nicht.      | 
 
| 
   22.   ..................      | 
 
| 
   23.   Ulissus Lange
  bewanderte unser arschlistige Freundchen Odysseus die Meere,    | 
 
| 
   24.   Man
  hörte Hilfeschreie     | 
 
| 
   25.   Kulturnachrichten   Hermann
  Lukomnikov schreibt das Gedicht "Kulturnachrichten". Hermann
  Lukomnikov hat das Gedicht "Kulturnachrichten“ geschrieben.
  Entschuldigen Sie bitte, laut den gerade eingetroffenen Mitteilungen, ist die
  jetzige Version des Gedichtes "Kulturnachrichten" wahrscheinlich
  nicht endgültig. Hermann Lukomnikov setzt die Arbeit an dem Gedicht
  "Kulturnachrichten" fort.      | 
 
| 
   26.   METHODE Schon
  wieder Schreibfehler geerntet! Schiraffe
  Schiraffe Schiraffe Schiraffe Schiraffe
  Schiraffe Schiraffe Schiraffe Schiraffe
  Schiraffe Schiraffe Schiraffe Das
  Schreiben der Wörter gestaltet sich einfacher.    | 
 
| 
   27.   alles alles alles alles alles alles alles Gute   alles alles alles alles alles alles alles in allem   alles alles alles alles alles alles alles oder nichts    | 
 
| 
   28.   was für Mist im Sinne nicht ich Mist im Sinne ich Mist aber nicht in dem Sinne, dass ich
  Mist ich bin nicht Mist ihr selbst Mist aber auch wenn ich Mist bin geht es nicht darum sondern einfach dass ich gehe Mist ich Mist    | 
 
| 
   29.   zuerst ist's so, dass ich in Köpfe
  komme dann ist es so, dass ich Köpfen
  entkomme wohin entkomme? warum entkomme? Sie werden darüber 'ne Nachricht
  bekommen    | 
 
| 
   30.   bitte (seien Sie so nett) bitte (wenn es Ihnen nichts ausmacht) bitte (dass dich der Teufel holt) bitte (lass mich nur in Ruhe) bitte (ich habe doch gesagt) bitte (wolltest du eben das) bitte (lassen Sie das) bitte (ich bitte Sie im guten) bitte (von mir aus) bitte (was geht das mich an) bitte (nur keine Schweinereien) bitte (Hände weg) bitte (hören Sie auf) bitte (woanders) bitte (ich konnte nicht anders handeln) bitte (ich kriege Geld dafür) bitte (ein Zauberwort) bitte (anpacken und fertig / anpacken und) bitte (immer) bitte    | 
 
| 
   31.   Gicht Schicht Bösewicht Ein Gedicht! Ein Gedicht!    | 
 
| 
   32.   Reimt euch nicht!      | 
 
| 
   Notizen des
  Herzens    | 
 
| 
   33.   LEICHT
  GESAGT -- stelle die Teekanne auf den Herd! Das bedeutet: aufstehen, an den
  Herd gehen, die Teekanne in die Hand nehmen, den Deckel abnehmen, ihn mit der
  feuchten Seite nach oben legen, damit der Staub nicht anklebt, dann die Kanne
  leicht schütteln, damit die herabfallenden Stückchen des harten
  innenseitlichen Satzes sich vom Boden lösen, dann, die Kanne kurz über dem
  Spülbecken kippend, die Reste des alten Wassers herausgießen, man sagt, es
  sei aus irgendwelchem Grund nicht gut, dann muß man ins Bad gehen, weil die
  Küchenspüle vom schmutzigen Geschirr so voll ist, daß die Kanne zwischen ihm
  und dem Wasserhahn nicht reinzuquetschen ist, - dann das Bad betretend Licht
  einschalten und die Klinke an sich ziehend die Tür öffnen, das alles mit der
  linken Hand: in der Rechten ist doch die Teekanne, -- im Bad muß man die
  Teekanne in die linke Hand nehmen, damit man mit der rechten, laut einem
  uralten Aberglauben, den Heißwasserhahn fester zumachen kann, denn das heiße
  Wasser ist aus irgendeinem Grund undurchsichtig, weißlich-trüb, vielleicht
  sogar chloriert, es wird natürlich schneller kochen und überhaupt, aber ästhetischer
  ist es, den siffende Heißwasserhahn fester zu drehen, er wird sowieso
  tropfen, aber weniger, in manchen Häusern sind Heißwasserhähne mit dem roten
  Punkt, Kaltwasserhähne mit dem blauen versehen, bei mir aber infolge der
  Gleichgültigkeit des Installateurs sind auf den beiden ein blauer, und
  jedesmal muß man seine Intuitionen tastend überprüfen, indem man die Röhre
  berührt, und dazu kann man es nicht gleich kapieren, und wenn man zu
  nachdenklich wird, verbrennt man sich, -- endlich den Hahn mit wirklich kaltem
  Wasser öffnen, die vielgelittene Teekanne unter dem Wasserstrahl halten und
  warten, und wenn sie sich bis an die Ränder füllt, dann vielleicht doch ein
  bißchen abgießen, duch das Näschen, ja, den Hahn zudrehen, dann in die Küche
  zurückgehen, unterwegs die Badtür schließend und das Licht ausmachend, und
  dort noch die ganze Geschichte mit Streichhölzchen und Gas...  | 
 
| 
   34.   ALLE
  TUN SO ALS OB, und jeder tut so als ob, -- und jeder tut so als ob er im
  allgemeinen so wie die anderen ist, -- das heißt also: wenn schon alle so
  tun, als ob sie (alle) genau so wie alle sind (wer ist genau so wie wer? alle
  sind genau so ... wie wer?! wie niemand, wie alle, wie niemand...) -- dann
  wird er auch so tun, den anderen Gesellschaft leisten, so tun als ob -- er,
  eigentlich wie diese "alle" (durchgestrichen), einfach: wie alle
  ist; und ich auch, ich auch, ich auch: alle tun als ob und ich tue auch als
  ob, aber ich bin nicht so (nicht so! nicht so!), ja und NIEMAND IST SO!!!    | 
 
| 
   35.   NEIN,
  ICH KANN FREMDE GEDICHTE NICHT VERSTEHEN.    | 
 
| 
   36.   DIE
  GANZE ZEIT DENKE ICH AN FRAUEN. Immer, solange ich an mich erinnern kann,
  sogar wenn es scheint, daß ich an etwas anderes denke, aber in der Tiefe
  meiner Seele denke ich nur, nur an Frauen. Alles andere ist mir uninteressant!
  Das heißt schon interessant, aber nur als ein nächster Anlass, um an Frauen
  zu denken. Besonders an Mädchen. Daran, wie ich mit ihnen allen vögele, mit
  allen hübschen Mädchen und Frauen, zusammen und einzeln, in verschiedenen
  Posen. Zum Beispiel mit Schwarzen. Und manchmal -- mit Greisinnen. Und mit
  Neugeborenen. Und mit Toten...      | 
 
| 
   37.   AUCH
  KAKEN MAG ICH SEHR. Wenn man kakt, ist es einem so wohl, man könnte so das
  ganze Leben lang kaken und kaken! Aber um zu kaken, muß man essen. Essen mag
  ich auch, aber das Essen ist so teuer, und ich habe überhaupt kein Geld.
  Vielleicht druckt man in der Zeitschrift dieses Essay, zahlt mir Geld, dann
  werde ich in den Laden gehen, essen -- und kaken...    | 
 
| 
   38.   SCHON
  WIEDER schwebte mir vor, daß ich etwas wesentliches mitzuteilen habe, aber es
  kommen laute Unwichtigkeiten dabei heraus. Als ob es in mir nichts ernstes
  gäbe, nichts bedeutendes, was ich mit der restlichen Menschheit teilen
  könnte. Woher diese Graphomanie, diese unersättliche Sehnsucht nach Papier?
  Manchmal, wenn ich Metro fahre, hole ich mir ein Blatt, hebe den
  Kugelschreiber darüber und sitze so eine halbe Stunde mit albernem
  Gesichtsausdruck bis zu meiner Haltestelle, ohne ein halbes Wörtchen
  gekritzelt zu haben.    | 
 
| 
   39.   NICHT
  VERGESSEN GRENZEN ZU LIQUIDIEREN. Nicht vergessen Todesstrafe abzuschaffen.    | 
 
| 
   40.   ICH
  WAR NIE IM AUSLAND. Und wahrscheinlich irgendwann komme ich dorthin, und es
  da kommt mir plötzlich in den Sinn: "Da bin ich im Ausland".    | 
 
| 
   41.   ICH
  NEHME AN; DIE JAPANER verstehen kurze Gedichte nicht. Ihre ganze Schönheit.
  Sie sehen darin nichts besonderes.    | 
 
| 
   42.   IST
  IST AN DER ZEIT; ZUZUGEBEN, daß es mir, im Grunde genommen, alles sehr fremd
  ist, was ich so liebe. Diese ganze Wortspielerei und ähnliches.    | 
 
| 
   43.  | 
 
| 
   44.   ICH
  HASSE GELD, dieses Scheissgeld, es hat die ganze Welt erobert, und mich
  meidet es! Oje! Vielleicht, wenn es mal zu mir kommt, ändere ich meine
  negative Einstellung zu ihm, zu diesem Scheissgeld, ja-ja, nicht
  ausgeschlossen.        | 
 
| 
   45.   [UND]
  HÖREN SIE AUF, MIR BLIND ZU VERTRAUEN! Ich übertreibe oft, manchmal lüge, ab
  und zu täusche mich... Wenn ich viel Essen hätte, würde ich das Haus nicht
  verlassen.    | 
 
| 
   46.   WENN
  ICH VIEL ESSEN HÄTTE, WÜRDE ICH ÜBERHAUPT NIE DAS HAUS VERLASSEN.    | 
 
| 
      | 
 
| 
      | 
 
 
 
47.
 
Nein, ich liebe nicht die Liebe. Weder
Tränen, noch Ausrufe,
Noch die Eifersucht strebe ich an.
Weder den Stolz der Beleidigung, noch die Langeweile der Ausreden.
Ich werde das Lieben nie lernen. 
Schau mir nicht in die Augen. Dort ist anstatt des Menschen,
Weder Dämonen, noch Götter -- ein leeres Futteral.
Sowohl der Gewissensqual, als auch die Zärtlichkeitssorge -
Sind mir zu gleichem Maßen schwer. Ich bin ein alberner Poseur,
Ich bin ein kleiner... Wie kann ich denn die Verantwortung übernehmen 
Schon allein für mich, geschweige denn für jemanden noch?
Außerdem habe ich gehört: die Liebe gebärt Kinder.
O nein! Das kann ich nicht. Ua-ua-ua-ua-ua-ua.
Die Bürde der Ehebänder und die Last der unehelichen
Beziehungen -
Beides bringt mich nur auf düstere Gedanken,
Ich bin so müde geworden, ich bin irgendwie anders geworden...
In der Welt gibt es kein Glück. Es gibt nur Freiheit und Ruhe..
 
48
 
 
STANZEN
.......O, wenn jemand wüsste, welche Angst ich vor Menschen habe!
Wie fremd mir die allgemeine Nachbarschaft 
Der Monster mit Augen ist. Ich werde kindisch,
Als ob ich im Meer der wilden Schwäne sei,
Bin ich müde, müde. Ich kann nicht mehr 
Ein zerstreutes und nettes Wesen sein,
Ein von irgendwelchen unverständlichen Kräften 
Begehrtes.......
<1991.>
 
| 
   49.   DAS
  GLÜCK besteht darin, etwas Geniales zu dichten. Aber das kommt sehr selten
  vor, alle zwei Wochen. [Und etwas einfach alltäglich-talentvolles (wie zum
  Beispiel diese Notiz) freut nicht mehr, befriedigt mich nicht mehr, sondern
  stillt nur ein wenig.]    |